Dienstag, 20. Oktober 2009

Der Vulkan ruft


Die Hauptattraktion des Tongariro National Parks bilden die drei Vulkane Ruapehu (2797 m), sein kleinerer Bruder Tongariro (1968) und der zwischen den beiden eingeklemmte Ngauruhoe (2287 m). Laut unseren Reiseführern gilt, wie gesagt, die Durchquerung der Vulkane als beste Tageswanderung, die Neuseeland zu bieten hat. Das mag schon sein. Zwischen den Bergen Tongariro und Ngauruhoe verlaufend, führt der Weg an erstarrten Lavaströmen, erloschenen Vulkankratern, dampfenden Quellen und smaragdgrünen Seen vorbei. Im Sommer zieht das "Tongariro Crossing" Tausende von Menschen an. An unserem auserwählten Tag laufen uns nur fünf andere Wanderer über den Weg.

Wo sind denn nun die berühmten Vulkane?

Um den Sonnenaufgang zwischen den Bergen zu erwischen, werfen unsere Wecker uns schon gaaanz früh aus dem Bett und bereits gegen halb sechs stehen wir, mit klappernden Zähnen, am Ausgangspunkt der Wanderung. Von der Sonne ist weit und breit nichts zu sehen, im Gegenteil fette Wolken bevölkern den Himmel und dichter Nebel verdeckt die Berge. Außerdem nieselt es. Missmutig setzen wir uns wieder in mein Auto und beschließen, ein wenig zu warten. Sebastian und Babette schlafen sofort wieder ein. Um sie nicht wieder aufzuwecken, traue ich mich nicht, auch nur einen Mucks von mir zu geben. Nach einer halben Stunde habe ich genug vom Warten. Im Auto kann ich nicht schlafen und ich will zurück in mein warmes Bett! Also brettern wir wieder zum Hostel. Um 11 Uhr wollen wir einen zweiten Versuch starten.
Gerade als ich eingenickt bin, hämmert Ian, der Hostelbesitzer, mit den Worten "die Sonne scheint" an unsere Türen. Grummelig und verschlafen taumeln wir zu unseren Autos und pesen auf ein Neues zum Nationalpark. Natürlich hat sich die Sonne, bis wir die Berge erreicht haben, längst verpieselt. Auf dem Parkplatz steht einsam ein anderes Auto, ansonsten ist weit und breit kein Gleichgesinnter in Sicht. Das Wetter hat sich nicht wirklich verbessert, aber einen dritten Versuch würden wir bestimmt nicht wagen. Da wußte ich ja nicht, was uns in den Bergen erwartet.

Keine Steigung, das gefällt mir!

Vor uns liegen 19,4 Kilometer und hoch motiviert marschieren wir los. Als wir vielleicht eine Stunde gelaufen sind, fängt es ordentlich zu Schütten an. Babette ist mit Regenjacke und -hose, sowie schnell trocknender Kleidung für diesen Fall bestens ausgerüstet. Ich habe immerhin meine für wenig Geld erstandenen Wanderschuhe angezogen und meine Wintermütze eingepackt. Für meine Handschuhe war kein Platz mehr in meinem Reiserucksack, wenigstens hält meine Winterjacke tapfer durch und ist nicht sofort komplett durchgeweicht.

Hoch oben in den Bergen

Als es immer steiler hinauf geht, kommen uns zwei Wanderer entgegen, die aufgrund eines Schneesturms, der oben zwischen den Bergen toben soll, lieber umgekehrt sind. So leicht lassen wir uns jedoch nicht von unserem Vorhaben abbringen und laufen unbeirrt weiter. Als wir die besagte Stelle erreichen, weht tatsächlich ein eisiger Wind und dicke Schneeflocken versperren uns die Sicht. Der Boden hat sich hier zu Matsch verwandelt und ich bin froh, dass meine Schuhe ihr Versprechen halten und meine Füße trocken bleiben. Sebastian hat sein zusätzlich eingepacktes Paar Socken als Handschuhe umfunktioniert, damit seine Hände nicht so frieren.

Die Socken gehen auch als Handschuhe durch.

Schlimmer wird es hoffentlich nicht mehr.

Brenzlig wird es, als der Weg uns an einem Krater vorbeiführt: der Pfad ist so schmal, dass man ihn kaum erkennt, rechts bieten vereiste Felswände kaum Möglichkeiten, sich festzuhalten, und links lauert der tiefe Abgrund – nur nicht nach unten kucken und sich langsam weiter vorkämpfen! Ich fange an, an dem Verstand der vielen anderen Besucher zu zweifeln, da ich mir nicht vorstellen kann, dass hier oben niemals etwas passiert und alle anderen Wanderfans dieses Bergstück unbeschadet überstehen. Der Abstieg zu den Emerald Lakes, die türkisblau glitzern, setzt dem Ganzen noch die Krone auf: mehr schlecht als recht schlittern und rutschen wir den Bergkamm herunter, von Wandern kann keine Rede mehr sein. Zudem werden wir mit scharfen Hagelkörnern bombardiert, aber umkehren können wir nun auch nicht mehr, sonst passiert vielleicht wirklich noch ein Unglück.

Hilfe, holt mich hier raus!

Ein Emerald Lake

Eine Rutschpartie ist doch lustig!

Langsam werden der Pfad und das Wetter wieder freundlicher. Das letzte und längste Stück führt über mit goldgelben Grasbüscheln bewachsene Hänge zu einer Hütte, in der wir eine Pause einlegen. Babette und Sebastian versuchen, den Gasofen in Gang zu setzen. Leider scheitern sie und, am ganzen Körper bibbernd, essen wir unseren letzten Proviant auf. Da der Weg über und über mit hinterhältigen, tiefen Schneefeldern gepflastert und Schnee in meine Schuhe gelangt ist, fühlen sich meine Füße inzwischen wie Eisklötze an und meine durchnäßte Jacke hält mich schon lange nicht mehr warm. Ich habe die Nase voll und will nicht mehr! Aber es hilft ja nichts und vor uns liegen immer noch einige Kilometer.
Sebastian kämpft derweil an einer anderen Front. Während er beim Anstieg wie das rosafarbene Duracellhäschen unsere kleine Gruppe angeführt bzw. uns beinahe davongestürmt ist, machen ihm nun seine Knie zu schaffen und der mit Treppen überhäufte Weg läßt den Rückweg zur Qual werden. Wir sind sooooo froh, als wir endlich den Parkplatz erreichen und ich nehme mir fest vor, nie wieder, komme, was wolle, wandern zu gehen!

Die Sonne scheint mal zur Abwechslung!

Immer noch kein Ende in Sicht.

Wir haben genug!

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