Mein auserkorener Wanderweg zu den Haruru Wasserfällen, was "Großer Krach" bedeutet, soll laut Jake, dem Besitzer des Hostels, nur 75 Minuten lang dauern. Auf der Karte werden zweieinhalb Stunden für den Marsch, der am Waitangi River entlang führt, angegeben. Ich glaube, ich habe insgesamt drei Stunden für die fünf Kilometer gebraucht und ungefähr nach der Hälfte des Weges streiken meine Beine und in mir macht sich der Gedanke breit, dass ich mir, statt in der Wildnis herumzuirren, für den Vormittag wohl lieber das Gelände von Waitangi ausgesucht hätte. Zu spät, da muss ich wohl durch, umkehren bringt auch nichts, hier mitten im neuseeländischen Urwald. Immerhin führt der Weg durch einen Mangrovenwald, dessen Anblick mich für die Strapazen der Wanderung und meine geschundenen Füße etwas entschädigt. Von den krachmachenden Wasserfällen bin ich jedoch enttäuscht, wirklich beeindrucken können sie mich nicht.
Was Jake auch vergessen hat, zu erwähnen, ist die Tatsache, dass man die fünf Kilometer nach Paihia ja auch wieder zurück laufen muss, ok, daran hätte ich auch selber denken können, aber 75 Minuten klingen ja nicht so schrecklich anstrengend. Zudem gibt es auf der anderen Seite des Flusses keinen schönen Wanderweg, nicht mal ein Fußweg ist vorhanden, man muss direkt an der Straße, die mir endlos vorkommt, zurück in die Stadt laufen. Oh Mann, was für eine tolle Idee! Doch ich habe Glück, ein Einheimischer erbarmt sich meiner und nimmt mich in seinem Auto mit. Sonst hätte ich wohl keine Kraft und Lust mehr gehabt, auch noch einen Abstecher nach Russell zu machen.
Bei Russell handelt es sich um ein kleines verschlafenes Nest, welches in vergangenen Zeiten einmal Scharen von Händlern, Wal- und Robbenfängern beherbergte und aufgrund deren ungehobeltes Benehmens und ausschweifenden Lebensstils auch als "Höllenloch des Pazifiks" bekannt war. Logisch, dass das heute so verträumt wirkende Städtchen deswegen auch viele ehrgeizige Missionare, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die zwielichtigen Gestalten in ehrbare Bürger umzuwandeln, anzog. Ein Überbleibsel aus diesen bewegenden Zeiten bildet die Druckerei "Pompallier", das letzte noch erhaltene Bauwerk der katholischen Mission in Russell. Unmittelbar am Strand gelegen, wurde die Fabrik 1842 für den französischen Bischof Jean Baptiste François Pompallier erbaut, um dem katholischen Wort Gottes vor Ort wieder mehr Gehör zu verschaffen. Wie zu alten Zeiten werden hier heute handgemachte Bücher angefertigt, wobei ahnungslose Besucher während einer Führung durch das Haus dazu genötigt werden, an den alten Geräten selber Hand anzulegen. Da ich wohl den rüstigsten und jüngsten Teilnehmer meiner kleinen Gruppe darstelle, muss ich dran glauben und weil ich natürlich keine Kraft in meinen Armen habe, bewegt sich der fiese Hebel der Presse vor aller Augen kein Stück! Nicht mal ein kleines bisschen, so dass mir die nächstjüngste Leidensgefährtin, eine Dame in den sechziger Jahren, helfen muss. Gar nicht peinlich!
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